Psychosomatik

Qualitätsbericht

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Reportage

Pilotprojekt Segeltherapie

Seit dem Frühjahr 2020 bietet die psychosomatische Fachklinik Medical Park Chiemseeblick therapeutisches Segeln an. Das Pilotprojekt wird im Rahmen der psychotherapeutischen Behandlung durchgeführt. Die einzigartige Komplementärmaßnahme wird seit ihrer Einführung von der Klinik wissenschaftlich begleitet und interdisziplinär evaluiert. Das Ergebnis steht noch aus, die Rückmeldungen von Seiten der Patienten sind bislang durchweg positiv.

Was eine Segeltherapie bewirken kann...

Die Segeltherapie basiert auf einem Konzept der Kombination aus sportlicher und naturbasierter Therapie. Patienten sollen sich den Kräften der Natur und den eigenen Ängsten und Blockaden aussetzen.
Das Therapieschiff ist ein Kielboot, das nicht kippen kann. Gerade wenn Patienten sich den Unwägbarkeiten einer neuen Erfahrung aussetzen, ist das Gefühl von Sicherheit wichtig.
In einem Vorabtreffen schildern die Patienten mit Depression oder Angststörung ihre Ängste,denen sie sich exponieren möchten und formulieren persönliche Ziele für den Turn. Auf dem Boot sind jeweils vier Patienten und ein Therapeut.
Beim Segeln sind die Patienten den unberechenbaren Kräften der Natur ausgesetzt. Das erfordert volle Konzentration im Hier und Jetzt. Bei vielen Patienten kommt so zum ersten Mal seit langer Zeit der Gedankenkreisel zum Stillstand.
Wenn das Boot wieder angelegt hat, ist die therapeutische Intervention noch nicht zu Ende. Die Besprechung in der Gruppe und mit dem Chefarzt ist ein zentraler Bestandteil des Konzepts. Ziel ist es, therapeutische Prozesse und die Selbstreflexion in Gang zu bringen.

Im Gespräch mit unseren Experten

Ärztlicher Direktor

Prof. Dr. med. Andreas Menke

Prof. Dr. med. Andreas Menke ist seit 2020 ärztlicher Direktor der psychosomatischen Fachklinik Medical Park Chiemseeblick. Nach fast zehn Jahren am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München war er ab 2014 als leitender Oberarzt an der psychiatrischen Universitätsklinik Würzburg tätig. Er ist ein international ausgewiesener Experte in der Behandlung von Depressionen, bipolarer Störung und stressassoziierten psychischen Erkrankungen.

Therapeutin

Karolin Bauer

Karolin Bauer hat Psychologie studiert und mit dem Master of Science abgeschlossen. Nun arbeitet sie seit über einem Jahr in der psychosomatischen Fachklinik. Sie ist eine der zehn Therapeuten, die mit aufs Boot gehen. Berufsbegleitend macht sie momentan eine Weiterbildung zur Psychotherapeutin.

Segellehrer

Christopher Kässberger

Christopher Kässberger ist Segellehrer und Inhaber einer Segelschule in Breitbrunn am Chiemsee, die er 2012 gegründet hat. Der Diplomingenieur für Maschinenbau segelt schon sein ganzes Leben – und ist bei den therapeutischen Segeltörns immer persönlich mit an Bord.

Ärztlicher Direktor

Prof. Dr. med. Andreas Menke

Prof. Dr. med. Andreas Menke ist seit 2020 ärztlicher Direktor der psychosomatischen Fachklinik Medical Park Chiemseeblick. Nach fast zehn Jahren am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München war er ab 2014 als leitender Oberarzt an der psychiatrischen Universitätsklinik Würzburg tätig. Er ist ein international ausgewiesener Experte in der Behandlung von Depressionen, bipolarer Störung und stressassoziierten psychischen Erkrankungen.

Therapeutin

Karolin Bauer

Karolin Bauer hat Psychologie studiert und mit dem Master of Science abgeschlossen. Nun arbeitet sie seit über einem Jahr in der psychosomatischen Fachklinik. Sie ist eine der zehn Therapeuten, die mit aufs Boot gehen. Berufsbegleitend macht sie momentan eine Weiterbildung zur Psychotherapeutin.

Segellehrer

Christopher Kässberger

Christopher Kässberger ist Segellehrer und Inhaber einer Segelschule in Breitbrunn am Chiemsee, die er 2012 gegründet hat. Der Diplomingenieur für Maschinenbau segelt schon sein ganzes Leben – und ist bei den therapeutischen Segeltörns immer persönlich mit an Bord.

Segeln ist nach herkömmlicher Lesart ein Sport. Welche therapeutischen Wirkweisen kann das Segeln entfalten?

PROF. DR. ANDREAS MENKE:
Wir haben das therapeutische Segeln als Kombination aus sportlicher und naturbasierter Therapie konzipiert. Es geht dabei primär um Exposition. Die Patienten sollen sich den Kräften der Natur und den eigenen Ängsten und Blockaden aussetzen. Teil des Krankheitsbildes unserer Patienten ist häufig die Angst vor Kontrollverlust oder die Sorge, Verantwortung abzugeben oder zu übernehmen. Auf dem Segelboot schaffen wir einen Raum, der es ermöglicht, sich diesen Ängsten zu stellen und sich selbst zu spüren. Selbstwirksamkeit ist hier der zentrale Begriff. Gerade psychisch kranke Patienten brauchen das Gefühl, Dinge in der Hand zu haben.

KAROLIN BAUER:
Das ist besonders bei Depressionen sehr wichtig. Ein schwach ausgeprägtes Selbstwertgefühl gehört häufig zur Symptomatik dieser Krankheit. Deshalb ist das Gefühl, allein oder auch mit Unterstützung etwas schaffen zu können, sehr wertvoll. Dieser aktivierende Ansatz ist eine tragende Säule unseres therapeutischen Konzepts hier im Haus.

CHRISTOPHER KÄSSBERGER:
Beim Segeln lernt man, mit den Gegebenheiten umzugehen: Wenn kein Wind weht, muss ich mich gedulden. Es geht nicht immer nach Plan. Auch das ist eine wichtige Erfahrung, die das Segeln ermöglicht.

Wie kam es zu der Kooperation zwischen Klinik und Segelschule?

PROF. DR. MENKE:
Durch unsere unmittelbare Nähe zum Wasser und auch zur Segelschule lag es nahe, den Chiemsee auch aktiv für die Therapie zu nutzen. Stressbedingte Erkrankungen und Despression sind zudem mein wissenschaftlicher Fokus, weshalb mich das Segeln als neue Therapieform zur Behandlung betroffener Patientinnen und Patienten besonders interessiert hat. Meiner Erfahrung nach sind solche Komplementärmaßnahmen wichtig für den gesamten Behandlungserfolg hier. In enger Absprache mit allen Beteiligten habe ich dann ein therapeutisches Konzept erarbeitet.

Wie genau sieht das Konzept dieser neuen Therapieform aus?

PROF. DR. MENKE:
Für das therapeutische Segeln wählen wir in der Regel Patienten mit Depressionen oder Angststörungen aus und bilden Gruppen. In einem Vorabtreffen schildert jeder seine Ängste, denen er sich exponieren möchte, und formuliert persönliche Ziele für den Törn. Auf dem Boot sind jeweils vier Patienten und ein Therapeut – begleitet von einem Motorboot, falls ein medizinischer Notfall auftreten sollte.

KÄSSBERGER:
Bevor alle an Bord gehen, erkläre ich die Sicherheitsmaßnahmen und das Segeln allgemein in der Theorie. Der Patient soll sich während der zwei Stunden auf See sicher fühlen.

BAUER:
Der therapeutische Teil findet direkt an Bord statt, aber hauptsächlich auch in der ausführlichen Nachbesprechung. Hier können emotionale Reaktionen und soziale Interaktionen an Bord reflektiert werden. Wir analysieren auch, ob und inwiefern die Teilnehmer ihren eigenen Zielen nähergekommen sind. Es ist wichtig, die Maßnahme im Rahmen der Gruppe so abzuschließen.

Haben Sie sich bei der Konzeption des therapeutischen Segelns auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützen können?

PROF. DR. MENKE:
Bislang gibt es nur ein paar wenige Studien, die zeigen, dass Segelinterventionen gute Effekte auf Patienten mit Depressionen, bipolarer Störung, Angststörungen, aber auch Schizophrenie und Substanzabhängigkeit haben. Wegen der dünnen Datenlage begleiten wir die Maßnahme wissenschaftlich. Die Patienten füllen vorher und nachher im Selbsttest Fragebögen aus, die wir auswerten. Aber es dauert mindestens zwei Jahre, bis die Datenlage valide ist. Eine evidenzbasierte Vorgehensweise ist uns hier im Hause sehr wichtig.

BAUER:
Was auf jeden Fall in vielen Studien wissenschaftlich bewiesen wurde, ist die beruhigende Wirkung – auch der Farben in der Natur. Das Blau des Sees und das Grün der Wälder rundum.

PROF. DR. MENKE:
Diese sogenannten Blue-Health- und Green-Space-Interventionen können helfen, chronisch-toxischen Stress abzubauen. Ich bin im Rahmen unseres neuen Chiemseer Bündnisses gegen Depression auch in Kontakt mit Experten, die dazu forschen.

Wie reagieren die Patienten auf das Angebot?

PROF. DR. MENKE:
Viele sind begeistert, manche eher verhalten – aber die meisten wollen schlussendlich doch teilnehmen. Unmittelbare Rückmeldungen bislang waren, dass das Segeln als erster Effekt allen Patienten zunächst gutgetan hat.

BAUER:
Oft bezieht sich die anfängliche Absage von Patienten gar nicht auf das jeweilige Angebot, sondern es handelt sich um Muster. Sie sagen zu allem Nein, weil sie sich überfordert fühlen. Viele meiner Patienten reflektieren das auch im Nachhinein. Und ihnen wird klar, dass sie diese Obstruktionshaltung durch ihre Zusage zum Segeln durchbrochen haben. Auch das ist ein Erfolgserlebnis.

Auch während des Segelns wird therapeutisch gearbeitet. Wie darf man sich das vorstellen?

BAUER:
Es gibt Gruppen, die Anleitung brauchen – und es gibt Gruppen, die funktionieren gut alleine. In letzterem Fall ziehe ich mich zurück und beobachte, was passiert. So kann ich viel über meine Patienten dazulernen. Die Ziele der Patienten habe ich aber natürlich im Hinterkopf. Wenn ein Patient jetzt beispielsweise dem Steuer ausweicht, dann erinnere ich ihn an das selbst gesetzte Ziel. Zwischendurch versuchen wir auch immer wieder, Achtsamkeitsübungen einzubauen. Es ist ein schönes, sich entwickelndes Arbeiten.

KÄSSBERGER:
An Bord gilt die Regel: Alles kann und nichts muss. Aber wir hätten natürlich schon gerne, dass die Leute aktiv mitarbeiten. Einer ist am Steuer, einer bedient das Großsegel, zwei sind an der Vorschot und einer hat mal Pause. Da ist dann jede Position besetzt. Es kommt aufs Team an, auf soziale Interaktion. So gibt man den Patienten auch das Gefühl, gebraucht zu werden.

Inwiefern beeinflusst das Segeln den Verlauf der Therapie im Allgemeinen?

BAUER:
In der Regel entfalten unsere verschiedenen Therapieangebote im Zusammenspiel ihre Wirkung. Trotzdem merke ich, dass sich die neue Erfahrung auf dem Segelboot auch unmittelbar auswirkt. Neben dem guten Gefühl, etwas erreicht zu haben, schaffen sich viele Patienten während des Segelns Bilder, die sich auf ihr Leben übertragen lassen. Diese Metaphern kann man sehr gut für die Therapie nutzen.

KÄSSBERGER:
Das Steuer in die Hand nehmen, den Kurs bestimmen und in Bewegung sein, auch wenn auf den ersten Blick Flaute herrscht – das sind alles Themen, die für Menschen mit diesen Krankheiten eine große Rolle spielen.

Die meisten Patienten werden nach Ende der Behandlung nicht weiter segeln können. Inwiefern ist auch eine einmalige Intervention schon wirksam?

PROF. DR. MENKE:
Die einmalige Intervention ist wichtig für unseren psychotherapeutischen Prozess, weil wir so wichtige Prozesse in Gang bringen können. Aber sie reicht natürlich nicht, um den Patienten zu remittieren. Es gibt auch entsprechende Studien, die zeigen, dass die Effekte solcher Maßnahmen nach einer gewissen Zeit wieder nachlassen.

BAUER:
Aber die Erfahrung an Bord ist übertragbar. Für viele ist der Segeltörn der Anlass, nach etwas zu suchen, das in der Vergangenheit vielleicht eine ähnliche Wirkung hatte. Insofern kann das Segeln ein Weckruf sein, endlich etwas Selbstfürsorgliches zu unternehmen und wieder eine Aktivität zu finden, die sich nachhaltig positiv auf die eigene psychische Verfassung auswirkt.

Kennzahlen

Unsere Ergebnisse im Fachbereich Psychosomatik

Wir erheben viele Daten, messen, vergleichen und werten aus. Je Fachbereich und Krankheitsbild gibt es eine Vielzahl von Indikatoren. Diese Indikatoren lassen sich auch für die Darstellung des Krankheitsverlaufs nutzen – und somit auch für die Messung der Qualität und des Erfolgs der medizinischen, therapeutischen und pflegerischen Behandlung. Mit diesen Qualitätsindikatoren sind wir in der Lage, unseren Erfolg nachzuweisen. Die Qualitätsindikatoren und die erreichten Ergebnisse stellen wir Ihnen im Folgenden vor.

Qualitätsindikatoren

BECK-DEPRESSIONSINVENTAR II (BDI)

Das Beck-Depressions-Inventar II (BDI) ist ein psychologisches Testverfahren zur Erfassung der Schwere von Depressionen. In einem Selbstbeurteilungsbogen werden 21 Fragen gestellt, die zum Beispiel auf sozialen Rückzug oder Ermüdbarkeit abzielen. Es bestehen jeweils vier Antwortmöglichkeiten, wovon die zutreffendste vom Patienten angekreuzt wird. Der Summenwert aus den Antworten gibt Aufschluss über den Grad der Depression.

Die Effektstärke vergleicht den Zustand des Patienten zum Zeitpunkt von Aufnahme und Entlassung. Je größer die Differenz der beiden Werte, desto größer die Wirksamkeit der Behandlung. Bei Werten zwischen 0,2 und 0,5 spricht man von kleinen, zwischen 0,5 und 0,8 von mittleren und über 0,8 von großen Effekten.

BRIEF SYMPTOM INVENTORY (BSI)

Das Verfahren misst innerhalb eines Zeitraums von sieben Tagen die vom Patienten empfundene Beeinträchtigung durch körperliche und psychische Symptome. Summenwerte unter 40 deuten auf eine krankhafte Ausprägung der Symptome hin. Als normal gelten Werte zwischen 40 und maximal 60. Patienten können damit selbst die Verbesserungen ihres Zustands erkennen.

SHORT-FORM-GESUNDHEITSFRAGEBOGEN (SF-36)

Der „SF-36“ dient der Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität von Patienten. 36 Items werden abgefragt, zum Beispiel zum psychischen Wohlbefinden, zur allgemeinen körperlichen Verfassung und zu sozialen Kontakten. Die individuellen Ergebnisse werden mit Normwerten verglichen. Das Verfahren dauert 10 Minuten.

Ergebnisse nach psychosomatischen Krankheitsbildern

Depression
Angststörungen
Anpassungsstörungen

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QUALITÄTSBERICHT ALS PDF

Weitere Ergebnisse und Geschichten finden Sie in unseren Qualitätsberichten. Die aktuelle Ausgabe senden wir Ihnen auf Wunsch auch gerne zu.

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